Panik, fliehende Menschen, brennende Häuser, brennende Städte. Am 7. August 2008 blickte die ganze Welt in den Kaukasus, wo ein neuntägiger Krieg zwischen Russland und Georgien herrschte. Damals war die Aufmerksamkeit aller Länder und aller Medien auf diese Region gerichtet. Zehn Jahre später spricht niemand mehr davon; niemand scheint die Situation in Südossetien und Abchasien wahrzunehmen, man könnte sagen, aus den Augen, aus dem Sinn. Nichtsdestotrotz sind die Beziehungen zwischen Georgien und den abtrünnigen Regionen immer noch angespannt, was automatisch eine Spannung in den Beziehungen zwischen Russland und Georgien hervorruft. Diese standen in letzter Zeit wieder im Licht der Öffentlichkeit, durch den Tod des georgischen Soldaten Archil Tatunashvili in Südossetien.

Zum Hintergrund; Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 erklärte Georgien im selben Jahr die Unabhängigkeit. Dennoch betrachtet Russland die Nachbarn in Georgien als Teil ihres Interessensgebietes, sieht Georgien als ein nach Westen ausgerichtetes Land – und damit als potentielle Bedrohung. Dementsprechend war Russland umso mehr bemüht, 2004 eine nach Westen ausgerichtete Regierung auch in der Ukraine zu vermeiden. Georgiens Bemühungen von 2004, die territoriale Integrität wiederherzustellen und Südossetien und Abchasien zu kontrollieren, nahm Russland als Feindseligkeit wahr. Laut Anna Arutunyan, Senior Analyst der International Crisis Group in Moskau, hatte Russland zwei Befürchtungen, die aus dieser territorialen Integrität resultieren würden: einerseits eine Fortsetzung des Konflikts zwischen Georgien und Südossetien aus dem Jahre 1992, und auf der anderen Seite ein Näherrücken eines Georgiens an NATO und an EU – denn diese territoriale Integrität ist Voraussetzung zum Beitritt zu beiden Organisationen. Georgien versucht schon seit 1994 der NATO beizutreten, aber wegen zahlreichen Konflikten mit Russland hat das Land noch heute den Status des „Anwärters“. Weiters ist die Präsenz russischer Militär in Südossetien und Abchasien – laut Russland – ein Friedenseinsatz. Georgien sieht dies als Verletzung des internationalen Rechts. So sei der Konflikt von 2008 aus der russischen Perspektive ebenso ein Friedenseinsatz gewesen, um die südossetischen und abchasischen Einwohner beschützen zu wollen. Dementsprechend erkannte Russland 2008 Südossetien und Abchasien als eigene Länder an und tut dies immer noch, was international als völkerrechtswidrig angesehen wird. Dies wurde 2008 durch die Bemühungen Frankreichs, eine Resolution zu finden, sichtbar; letztendlich scheiterte die Resolution jedoch, weil Russland nicht bereit war, diese zu unterzeichnen. Georgien sah den Konflikt von 2008 als Verletzung des internationalen Völkerrechts und die Tatsache, dass Russland in Südossetien und Abchasien während dieses Konflikts russische Pässe ausgeben lies, bezeichnete die von der EU beauftragte internationale Untersuchungskommission als „Einmischung in die inneren Angelegenheiten Georgiens“.

Durch den Regierungswechsel in Georgien in 2012 und durch den Abgang von Präsident Mikheil Saakashvili haben sich die Beziehungen zwischen Russland und Georgien deutlich gebessert. Russland sah die georgische Regierung vor 2012 als anti-russisch und pro-westlich. Der damalige Präsident Mikheil Saakashvili wurde als Hauptakteur der anti-russischen und pro-Westlichen Einstellung Georgiens dargestellt. Durch seinen Abgang sieht Russland die jetzige georgische Regierung nicht mehr als ihren Feind an. Laut Arutunyan wird Russland – aus der Sicht des georgischen Besatzungsrechtes –  wegen Präsenz russischer Truppen in den abtrünnigen Regionen der Status eines Okkupanten zugesprochen, was die Bemühungen um Handel zwischen Russland und Georgien wesentlich erschwert.

Ein Geschehnis im März 2018 brachte die Spannungen zwischen Georgien, Russland und dem abtrünnigen Region Südossetien von 2008 noch einmal auf den Höhepunkt. Archil Tatunashvili, ein georgischer Soldat, stationiert in Südossetien, wurde im April 2018 von den südossetischen Soldaten inhaftiert und verstarb weniger Tage danach. Nach wochenlangem Warten konnte der Leichnam endlich nach Tiflis überführt werden. Als Grund für das Warten wurde angegeben, dass „unabhängige“ Experten aus Russland diesen Vorfall untersuchen müssten. Dies kam in Georgien nicht glaubhaft an, was der Anfang für erneute Anspannung war. Des Weiteren gaben georgische Behörden bekannt, dass Folterspuren am Leichnam Tatunashvilis festgestellt worden seien. Von der russischen Seite gab es darüber bisher keine Äußerung. Obwohl diesem Ereignis außerhalb Georgiens wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, ist die erneute Anspannung zwischen Georgien, Südossetien und Russland deutlich spürbar.

Obwohl wir von dem Konflikt zwischen Russland und Georgien bzw. Georgien und Südossetien/Abchasien in den Medien nicht mehr viel hören, ist es äußerst wichtig im Hinterkopf zu bewahren, dass Frieden in diesen Regionen in weiter Ferne liegt. Interessant wird es sein zu sehen, ob Georgien den Beitritt zur NATO schafft – mit der Opposition von Russland. Vieles wird auch von Staatsführern und deren Bemühungen abhängen, z.B. ob Freihandel gebildet, gefördert und legalisiert wird. Wird Russland die stationierten Truppen aus Südossetien und Abchasien wieder herausholen? Werden die derzeit abtrünnigen Regionen von Südossetien und Abchasien wieder Teil Georgiens werden? Die Staatsführer werden auch bei diesen Fragen eine essentielle Rolle spielen und man kann nur abwarten und hoffen, dass weitere Eskalationen – wie der Tod von Archil Tatunashvili in 2018 oder der neuntägige Krieg von 2008 – nicht wieder vorkommen.