Als der ehemalige serbische Ministerpräsident Aleksandar Vučić im Frühjahr 2017 bekannt gab für das Amt des Präsidenten zu kandidieren, war die Frage nicht ob er die Präsidentschaftswahlen gewinnen, sondern ob die Entscheidung bereits in der ersten Wahlrunde fallen würde. Mit 55% der Stimmen, bei einer sehr geringen Wahlbeteiligung von rund 54%, ersparte sich Vučić zwar eine Stichwahl, jedoch nicht landesweite Proteste, die ihm Wahlfälschung, Einschränkung der Medienfreiheit und einen autokratischen Führungsstil vorwerfen.
In welche Richtung sich die serbische Demokratie in den nächsten Jahren entwickeln wird, hängt hauptsächlich von der Fähigkeit der serbischen Bevölkerung ab, der autokratischen Politik von Vučić die Stirn zu bieten.
In seiner Funktion als Informationsminister Ende der 1990er Jahre führte Vučić eine rigide Zensurpolitik gegen Oppositionelle und Medien, die sich kritisch gegenüber dem Regime des damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milošević äußerten. Diese Methoden schien Vučić nicht verlernt zu haben als er 2014 als serbischer Ministerpräsident mit der Monopolisierung der Medienlandschaft begann. Journalisten, NGOs und Oppositionelle, die sich kritisch gegenüber der Regierung äußern, werden, damals wie heute, eingeschüchtert und mit Hetzkampagnen in der regierungsnahen Boulevardpresse diskreditiert. Ein äußerst illustratives Beispiel hierfür ist der Journalist Stevan Dojčinović, der Nachforschungen über das nicht deklarierte Vermögen der Familie Vučić anstellte. Prompt zierte das Bild des Journalisten mehrmals die Titelseite der Boulevardzeitung „Informer“, die einem langjährigen Freund von Vučić gehört. Dojčinović wurde als „Verräter“ und „ausländischer Spion“ bezeichnet, was eine besorgniserregende Parallele zu den Methoden von Putin und Erdoğan darstellt. Darüber hinaus hat Vučić auch die staatlichen Medien fest in seiner Hand, was sich insbesondere während des Präsidentschaftswahlkampfes zeigte. Vučić genoss laut der unabhängigen Forschungsgruppe BIRODI, 120-mal mehr Berichterstattung in den serbischen Medien als die zwei aussichtsreichsten Oppositionskandidaten zusammen. Abgesehen von der Kontrolle der Medien, zeigte sich während des Wahlkampfes auch, dass Vučić nicht nur im Staatsapparat, sondern auch im Parlament alle Fäden in der Hand hat. Das Parlament wurde nämlich mehr als einen Monat vor der Wahl von Vučićs Parlamentspräsidentin durch eine „Zwangsbeurlaubung“ blockiert. Dies hatte zur Folge, dass die ohnehin schon medial benachteiligten Oppositionskandidaten praktisch mundtot gemacht wurden, da ihnen die letzte große Plattform entrissen wurde durch die sie sich Gehör bei den Bürgern hätten verschaffen können.
Natürlich stellt sich einem außenstehenden Beobachter die Frage, wieso sich Vučić überhaupt für das zeremonielle Amt des Staatsoberhauptes entschieden hat, wohlwissend, dass Serbien eine parlamentarische Demokratie ist, in der der Ministerpräsident die entscheidenden politischen Impulse setzt. Um diese Frage beantworten zu können, ist es ratsam sich vor Augen zu führen, dass die Vučić-Partei SNS (Serbische Fortschrittspartei) mit ihren Koalitionspartnern über eine solide Mehrheit im Parlament verfügt und die schwache Justiz bereits von Vučić politisch unterwandert wurde. Das einzige Amt, das den ehemaligen Ministerpräsidenten zumindest formell hätte einschränken können, war die Position des Präsidenten. Als Staatsoberhaupt ist es für Vučić nun ein Leichtes einen gefügigen Ministerpräsidenten aus seiner Partei zu ernennen und im Hintergrund alle Fäden zu ziehen. Ein solches Szenario kennen wir bereits aus der Türkei, wo Ministerpräsident Yildirim nur als Platzhalter von Präsident Erdoğan fungiert.
Die fehlende Kritik der EU an diesen autokratischen Tendenzen in Serbien muss vor dem Hintergrund eines wachsenden russischen Einflusses sowie auch ungelöster ethnischer Konflikte im „Pulverfass“ Westbalkan gesehen werden. Vučić spielt eine außenpolitisch gemäßigte und pro-europäische Haltung vor, was ihm, trotz seines offenkundigen autoritären Führungsstils, die Unterstützung der Union garantiert. Dass eine solche Westbalkanpolitik der EU, die auf autoritäre aber scheinbar „stabile“ Systeme setzt, zum Scheitern verurteilt ist, zeigt sich klar am Beispiel Mazedoniens, welches sich bereits einige Jahre in einer Staatskrise befindet.
Solange die Westbalkanpolitik der EU vermeintliche Stabilität europäischen Werten vorzieht, liegt es allein in den Händen der serbischen Bürgerinnen und Bürger die Demokratisierung in ihrem Land voranzubringen. Ein Lichtstrahl der die dunklen Wolken der „Ära Vučić“ durchbrochen hat, waren die landesweiten Proteste zehntausender Demonstrantinnen und Demonstranten nach der Präsidentschaftswahl, die sich unter dem Motto „Gegen die Diktatur“ gegen die autokratischen Tendenzen von Präsident Vučić und seinen korrupten Staatsapparat richteten. Dieser generationenübergreifenden, zivilen Bewegung, die aktiv demokratische Prinzipien wie Medienfreiheit und Rechtsstaatlichkeit einfordert, wohnt durchaus das Potenzial inne, Serbien aus diesem autokratischen Sumpf zu befreien. Um als Wertegemeinschaft ernst genommen zu werden, muss sich die EU deswegen klar auf die Seite der Zivilgesellschaft stellen, um „starke Männer“ w